Rezeptfreie Schmerzmittel: Die gefährlichen Helfer

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Deutsche Apotheken verkaufen jährlich Schmerzmittel im Wert von rund 500 Millionen Euro. Zu den Bestsellern unter den frei verkäuflichen Schmerzmitteln gehören Paracetamol, Acetylsalicylsäure (Aspirin®), Ibuprofen und Diclofenac. Zumindest eines dieser Medikamente ist wohl in fast jedem Haushalt zu finden. Doch viele unterschätzen die Gefahr dieser Arzneiwirkstoffe, nehmen sie schlichtweg zu häufig ein und/oder wissen gar nicht, wie die Präparate wirken und wann ihre Verwendung sinnvoll ist.

Schmerzmittel ist nicht gleich Schmerzmittel

„Möglicherweise liegt es an der Gemeinsamkeit der Rezeptfreiheit, dass die Schmerzmittel von vielen Konsumenten als mehr oder weniger ähnlich und auch als vermeintlich harmlos angesehen werden“, vermutet Priv.-Doz. Dr. rer. nat. Albrecht Eisert, Chefapotheker an der Uniklinik RWTH Aachen. Meistens entscheiden die persönlichen Erfahrungen und Gewohnheiten, ob jemand bei Schmerzen zu Paracetamol oder doch eher zu Ibuprofen greift. „Und gerade in dieser Vertrautheit liegt die Gefahr“, weiß der Apotheker. Denn die Präparate sind keineswegs identisch. „Durch den unterschiedlichen chemischen Aufbau der Substanzen gibt es folglich auch große Unterschiede in den Anwendungsgebieten, der Wirkweise und den möglichen Nebenwirkungen“, erklärt Dr. Eisert. Eine falsche Einnahme kann verheerende Folgen haben: „So kann beispielsweise eine Überdosierung von Paracetamol im schlimmsten Fall zu einer Vergiftung mit Todesfolge führen.“

Wirkungen von Ibuprofen, Diclofenac und Acetyl­salicyl­säure

Am weitesten verbreitet sind entzündungshemmende Schmerzmittel wie Acetylsalicylsäure (ASS), Diclofenac und Ibuprofen. Sie zählen zu den sogenannten nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR). „Neben ihrer schmerzlindernden Wirkung haben NSAR auch einen fiebersenkenden und einen entzündungshemmenden Effekt“, erklärt Dr. Eisert.

Paracetamol oder Ibuprofen als Gewohnheits-entscheidung: Gerade in dieser Vertrautheit liegt die Gefahr.

ASS wird häufig bei Kopfschmerzen, Fieber und Entzündungen empfohlen. In niedriger Dosierung wird es verordnet, um Blutgerinnseln vorzubeugen. Aufgrund der „blutverdünnenden“ Wirkung bestehen Blutungsrisiken bei Verletzungen, Zahnarztbehandlungen oder anstehenden Operationen. Nebenwirkungen der Acetylsalicylsäure zeigen sich vor allem aber im Magen-Darm-Trakt. Der Wirkstoff kann die Magenschleimhaut schädigen und sogar Blutungen verursachen. Daher ist gerade bei einem empfindlichen Magen besondere Vorsicht geboten. Bei Kindern und Jugendlichen sollte ASS nur nach Anweisung eines Arztes verabreicht werden, da schwerwiegende Nebenwirkungen wie das Reye-Syndrom (eine Erkrankung des Gehirns und der Leber) auftreten können. Nicht angewendet werden sollte ASS bei Asthma, schweren Nieren- oder Leberschädigungen und in der Schwangerschaft.

Ibuprofen wird vor allem bei entzündungsbedingten Schmerzen des Bewegungsapparates eingesetzt. Aber auch bei Kopf- und Zahnschmerzen, Mittelohrentzündungen, Erkältungsbeschwerden oder Sportverletzungen ist Ibuprofen oftmals das Mittel der Wahl. Doch auch hier kann der erwünschte Effekt der Schmerzstillung, Fiebersenkung und Entzündungshemmung von Nebenwirkungen begleitet werden. Ibuprofen hemmt die Produktion der schützenden Schleimschicht des Magen-Darm-Trakts, was bei mehrfach hohen Dosen unter anderem Sodbrennen, Bauchschmerzen, Erbrechen und sogar die Bildung von Magen-Darm-Geschwüren auslösen kann. Solche Magen-Darm-­Beschwerden sind typische und häufige Nebenwirkungen von NSAR. Weitere unerwünschte Begleitsymptome dieser Stoffgruppe sind beispielsweise Blutbildungsstörungen sowie Funktionsstörungen von Leber, Herz oder Niere.

Diclofenac hingegen wird häufig bei Rücken- und Gelenkschmerzen, Verschleißerkrankungen, Zerrungen, Prellungen und Verstauchungen verwendet. Es hat nicht nur eine lang­anhaltende, antientzündliche Wirkung, sondern wirkt auch schnell. „Diclofenac ist in seiner Wirkweise Ibuprofen nicht unähnlich, dennoch vertragen nicht alle Patienten beide Präparate gleich gut“, so Dr. Eisert. Diclofenac oder auch Ibuprofen sollten aufgrund ihrer schmerzlindernden Wirkung am Bewegungsapparat allerdings nicht fälschlicherweise eingesetzt werden, um Muskelkater zu lindern. Die Kombination mit Sport kann bei hohem Flüssigkeitsverlust schwerwiegende Schäden vor allem an der Niere bewirken.

Paracetamol kann der Leber schaden

Im Gegensatz zu den Wirkstoffen ASS, Ibuprofen und Diclofenac, die direkt in entzündliche Prozesse des Körpers eingreifen, entfaltet Paracetamol seine schmerzlindernde und fiebersenkende Wirkung primär im zentralen Nervensystem, also im Rückenmark und im Gehirn. Das Medikament ist ebenfalls nicht harmlos. Falsch angewendet kann Paracetamol die Leber schädigen und bei starker Überdosierung zu Vergiftungen führen. „Da Paracetamol bei richtiger Anwendung sogar bereits bei Kindern zum Beispiel als Zäpfchen zugelassen ist, ist es besonders wichtig, dass Maximal­dosen nicht überschritten werden. Bei länger andauernden Beschwerden in höheren Dosen sollte Paracetamol nur unter ärztlicher Anleitung genommen werden“, rät Dr. Eisert. Wer bereits Leberschäden hat, unter chronischen Erkrankungen des Bewegungsapparates leidet oder stark untergewichtig ist, sollte von einer Einnahme von Paracetamol absehen.

Eine falsche Einnahme von Schmerzmitteln kann verheerende Folgen haben.

„Ein weiteres häufiges Problem sind Wechselwirkungen, wenn Patienten gleichzeitig weitere Medikamente und/oder Naturheilmittel einnehmen“, sagt der Apotheker. Beispielsweise kann die Kombination vor allem von ASS mit Medikamenten, die die Blutgerinnung hemmen, zu schwerwiegenden Blutungen führen. Bei gleichzeitiger Einnahme von NSAR mit Kortison steigt das Risiko einer Schädigung der Magenschleimhaut. Es drohen Magengeschwüre und -blutungen. Die Wirkung von blutdrucksenkenden Medikamenten kann reduziert werden. Ein Problem von Mitteln gegen Erkältungsbeschwerden ist, dass unter anderem der Wirkstoff Paracetamol, aber auch ASS und Ibuprofen in zahlreichen Kombinationsschmerzmitteln enthalten sind. „Dadurch ist es weder für den Patienten noch für den Arzt einfach zu erkennen, ob die empfohlene Tageshöchstdosis überschritten wurde. Daher kann es leichter zu Überdosierungen kommen.“

So kurz wie möglich, so wenig wie nötig

Um Nebenwirkungen zu vermeiden, sollten nicht verschriebene Schmerzmittel generell in der niedrigsten Dosierung, die den gewünschten Effekt hat, angewendet werden. Außerdem sollte die Anwendungsdauer so kurz wie möglich sein. „Grundsätzlich muss das Medikament zum Patienten passen. Schmerzmittel sollten ohne ärztliche Anweisung in der Regel nicht länger als drei Tage hintereinander und nicht öfter als zehn Tage pro Monat eingenommen werden“, betont Dr. Eisert. Wer Schmerzmittel länger als empfohlen einnimmt, hat ein höheres Risiko, Nebenwirkungen zu erleiden. „Wir Apotheker sind verpflichtet, jeden Patienten persönlich vor Abgabe eines Medikaments über die Risiken und Nebenwirkungen aufzuklären. Bei länger anhaltenden Beschwerden sollten Sie unbedingt mit Ihrem Arzt über mögliche Alternativen sprechen“, rät der Arzneimittel-Experte.

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