Unser gemeinsamer Kompass

© Michael Strauch / Foto-Studio-Strauch

640 Tage waren seit der Diagnose vergangen. 640 Tage, in denen der Vollblutpolitiker therapiert wurde, es ihm gesundheitlich zunächst besser ging, in denen er langsam in die Öffentlichkeit zurückkehrte, ein Buch schrieb und darin von seiner Leukämieerkrankung berichtete. Dann kam der plötzliche Rückfall und Guido Westerwelle starb am 18. März 2016 in Köln.

Immer an seiner Seite, nicht nur in diesen Monaten, sondern seit vielen Jahren, stand sein langjähriger Lebenspartner Michael Mronz. Mit ihm, dem gebürtigen Kölner, teilte der Politiker und Rechtsanwalt eine „positive, nach vorne gerichtete Einstellung“, die Teil ihres gemeinsamen Lebens-Kompasses war, auch in dieser schweren Zeit. „Zu unserer Lebensphilosophie gehört, die Dinge, die wir im Leben haben, nicht als selbstverständlich anzusehen, Freundschaften als wichtiges Gut zu pflegen, beruflichen Aufgaben mit einem gewissen Fleiß nachzugehen und nicht zu erwarten, dass man alles in den Schoß gelegt bekommt. Zuletzt war Guido besonders wichtig, anderen Menschen mit der gleichen Erkrankung Orientierung, Halt, Mut und Zuversicht zu geben“, sagt Michael Mronz. „Dies und eine Offenheit, Chancen zu sehen und neugierig auf morgen zu sein, sind bis heute Teil meines Lebenskompasses.“

Mit dieser ihnen ganz eigenen Zuversicht kämpfte das Paar gegen die Blutkrebs­erkrankung.

In seinen letzten Monaten wollte der Politiker zudem beweisen, dass er sich von der Krankheit nicht stigmatisieren ließ, dass er sich heraustraute und weiterlebte. „Mein Mann war der Überzeugung, dass die Krankheit das Leben nicht in der Summe beherrschen darf“, sagt Michael Mronz.

Zuspruch in den schwarzen Stunden

Eine Einstellung, die die Menschen bewegte. Bis zu seinem Tod erfuhr Guido Westerwelle, der so oft persönlich angegriffen wurde, viel ehrliche Anteilnahme aus der ganzen Republik, quer durch die Bevölkerungsschichten und politischen Lager. „Noch nie in meinem Leben habe ich so viel Zuspruch und Zuneigung erfahren dürfen wie in den schwarzen Stunden“, schreibt Westerwelle in seinem Buch „Zwischen zwei Leben“.


Apropos „Zwischen zwei Leben“

Sein Buch „Zwischen zwei Leben“ schrieb Guido Westerwelle gemeinsam mit dem Journalisten Dominik Wichmann. 2015 erschien es im Hoffman und Campe Verlag. Die Produktionsfirma Ufa Fiction hat sich die Verfilmungsrechte gesichert.

240 Seiten, ISBN: 978-3-455-50390-6


Seinem medialen Aufruf, sich bei der DKMS-Datenbank typisieren zu lassen, kamen mehr als 45.000 Menschen nach. Rund 30 von ihnen haben inzwischen Knochenmark gespendet und anderen damit die Chance auf ein neues, ein zweites Leben geschenkt. Auch Michael Mronz nutzt bis heute gerne die Gelegenheit, gesunde Menschen dazu zu animieren, Spender zu werden. „Ich selber habe mich schon vor vielen Jahren typisieren lassen“, erzählt er. „Obwohl ich das damals als homosexueller Mann noch gar nicht durfte. Das ist heute glücklicherweise anders.“

„Es war richtig, die Chance wahrzunehmen“

Mit dieser ihnen ganz eigenen Zuversicht kämpfte das Paar auch gegen die Blutkrebserkrankung. Nach Chemotherapie und Knochenmarktransplantation traten bei Guido Westerwelle allerdings Abstoßprobleme des Körpers auf, die mit Medikamenten behandelt werden mussten. Am Ende blieben die Bemühungen ohne Erfolg. „Wir hatten eine Chance ergriffen, aber es gab keine Garantie, dass es gut geht“, sagt Michael Mronz.

Dennoch ist er besonders dem „einfühlsamen und engagierten Team der Uniklinik Köln“ dankbar. „Ich war sehr beeindruckt, mit welchem Aufopferungswillen und mit welcher Hingabe nicht nur die Ärzte, sondern alle Schwestern, Pfleger, Reinigungskräfte und das ganze Stationspersonal ihre Arbeit geleistet haben. Da habe ich tiefsten Respekt. Die Forderungen an die Politik, gerade die Pflege­kräfte besser zu bezahlen, kann ich nur unterstützen. Sie sind eine wichtige Säule unserer Gesellschaft.“

„Die Krankheit hat unsere Beziehung intensiviert“

Begonnen hatte alles 2003, am Rande des Reitturniers CHIO. Michael Mronz war (und ist) Mitveranstalter, der FDP-Chef ein VIP-Gast. Ein Jahr später waren die beiden offiziell ein Paar, 2010 folgte die „eingetragene Lebenspartnerschaft“. Sie lebten eine „glückliche Beziehung“, die durch die schwere Krankheit noch inniger wurde. Die „Ehe für alle“ kam für die beiden leider zu spät. „Für meinen Mann war die Gleichbehandlung, auch im Krankheitsfall, ein wichtiger Punkt“, erzählt Michael Mronz. „In der Klinik sagte Guido: ‚Ich kann nicht verstehen, warum unsere Ehe eine Ehe zweiter Klasse sein soll im Vergleich zu einem Mitpatienten im Nebenzimmer, der mit einer Frau verheiratet ist‘.“ „Für uns beide gehören zu einer Ehe gegenseitige Verantwortung und ein Füreinander-Da-Sein“, sagt der Sportmanager. „Dass immer mehr Menschen dieser Ansicht sind, ist sicherlich zu begrüßen. Auch wenn ich manchmal immer noch überrascht bin, wie die Gegner der ‚Ehe für alle‘ bis heute argumentieren.“

„Für meinen Mann war die Gleichbehandlung, auch im Krankheitsfall, ein wichtiger Punkt.“

„Ich brauche Zeit für mich“

2017, wenige Monate nach Guido Westerwelles Tod, ging Michael Mronz für ein halbes Jahr nach New York. Für ihn und seinen Ehemann war die amerikanische Metropole schon lange mehr als ein Reiseziel. „Guido hatte selbst darüber nachgedacht, dort nach dem Ausscheiden aus der Politik für eine Zeit lang zu leben. Mir gab New York in dieser Situation die Möglichkeit, meine Gedanken neu zu sortieren“. Gleichzeitig beschäftigte er sich intensiv mit dem Thema „Digitalisierung“, den damit verbundenen neuen Arbeitsplätzen und Auswirkungen auf den Sportbereich, insbesondere auf das CHIO-Reitturnier.

Zurück im Rheinland, ist der erfolgreiche Sportmanager heute einer der Antreiber der Rhein-Ruhr-Olympia-­Initiative 2032 und Mitbegründer einer neuen Medienagentur. „Ich habe mich darauf fokussiert, welche Themen es für die Zukunft gibt und bin wieder neugierig auf neue Aufgaben.“

„Durch die Stiftung bin ich mit Guido verbunden“

Gleichzeitig ist er ehrenamtlicher Vorstands­vorsitzender der Westerwelle Foundation. Mit der Stiftung wollte der Politiker nach dem Ausscheiden aus dem Amt des Außenministers seine Kontakte und seine Erfahrungen nutzen, um jungen Menschen eine Chance zu geben, ihren eigenen Traum von der Selbständigkeit zu verwirklichen. „Mit dem Westerwelle Young Founders Programme fördern wir jährlich 50 junge Gründerinnen und Gründer aus Schwellen- und Entwicklungsländern, die schon erste Erfolge verbuchen konnten und nun bereit für den nächsten Schritt sind“, sagt Michael Mronz. Dazu gehört zum Beispiel eine junge Irakerin, die handgemachte Seifen herstellt und mittlerweile sechzig, ausschließlich weibliche Angestellte hat. „Sie will den Frauen, die ihre Männer im Krieg verloren haben, eine Existenzgrund­lage geben und das Frauenbild im Land positiv verändern.“

„Die Westerwelle Foundation gibt mir die Möglichkeit, tagtäglich nach vorne gerichtet mit Guido in Verbindung zu sein.“

Gleichzeitig entsteht nach Tunis das zweite Westerwelle Start-up-Haus in Kigali, Ruanda. Dort können junge Gründerinnen und Gründer arbeiten, sich vernetzen, an Workshops zum Finanzmanagement oder Marketing teilnehmen und in allen anderen Fragen Experten konsultieren.

Alles in allem sei seine Arbeit in der Stiftung „eine Aufgabe, auf die ich gerne verzichtet hätte. Aber eine Aufgabe, die mir heute viel gibt.“ Lange habe er sich gefragt, ob er sich das inhaltlich zutraue. „Doch dass ich die Aufgabe übernehme, stand nie infrage. Schließlich gibt sie mir die Möglichkeit, tagtäglich nach vorne gerichtet mit Guido in Verbindung zu sein.“


 

© Michael Strauch / Foto-Studio-Strauch

Steckbrief Michael Mronz

Geboren 1969 in Köln.
Vater Architekt, Mutter Galeristin

Mit 21 organisiert er das erste Tennis-Turnier
1992 gründet er seine erste Firma MM-Promotion
1997 wird er Geschäftsführer beim CHIO
2006 organisiert er die Weltreiterspiele in Aachen
2006 wird er „Sportmanager des Jahres“
2009 ist er verantwortlich für Marketing und Ticketing der Leichtathletik-WM in Berlin

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