Frühjahrsputz für Körper und Geist

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Seit Urzeiten ist der menschliche Stoffwechsel auf Phasen ohne Essen eingestellt. Für die Jäger und Sammler der Frühzeit zum Beispiel waren Hungerperioden normal. Wie sie das überstehen konnten, ist leicht erklärt: Der menschliche Körper speichert in seinen Organen und Geweben Energiereserven und kann diese bei Bedarf mobilisieren. Darum aßen unsere Vorfahren in Zeiten des Überflusses auf Vorrat. In der Antike beschäftigten sich große Philosophen erstmals bewusst mit dem Thema Fasten. Für Aristoteles, Platon und Sokrates waren Mäßigung und Genügsamkeit der Schlüssel zu einem erfüllten Leben. Auch den Weltreligionen dient das Fasten seit jeher als spirituelle Praktik, um sich auf den Glauben zu besinnen und Gott auf diese Weise näher zu kommen.

Unterschiedliche Fastenformen

Im 20. Jahrhundert begründete der deutsche Arzt Otto Hermann Ferdinand Buchinger das heute bekannte Heilfasten, auch Buchinger Fasten genannt. Die Fastenperiode dauert ein bis vier Wochen. Währenddessen nimmt der Fastende nur kleine Kalorienmengen in Form von Säften oder Gemüsebrühen zu sich. Eine zweite, neuere Variante ist das sogenannte intermittierende oder Intervallfasten. Dabei kann man zwischen ganzen Fastentagen oder täglichen Pausen zwischen der Nahrungsaufnahme wählen, wobei der Kalorienverbrauch in der Regel unverändert bleibt. „Es gibt die Formel 5:2, also fünf Tage pro Woche essen, zwei Tage fasten. Eine andere Formel ist 16:8, also in einem Zeitrahmen von acht Stunden pro Tag essen und 16 Stunden fasten. Das klappt zum Beispiel gut, wenn man das Abendessen auslässt“, erklärt Dr. med. Maximilian Hatting, Oberarzt in der Klinik für Gastroenterologie, Stoffwechselerkrankungen und Internistische Intensivmedizin an der Uniklinik RWTH Aachen. Er betont: „Nur wer freiwillig auf Nahrung verzichtet, fastet. Alle anderen essen entweder nichts, weil sie aufgrund einer Erkrankung keinen Hunger verspüren oder weil sie Hunger leiden müssen. Das ist natürlich nicht gesund.“

Wer stark, gesund und jung bleiben möchte, sei mäßig, übe den Körper, atme reine Luft und heile sein Weh eher durchs Fasten als durch Arznei.
Hippokrates von Kos

Fasten reinigt den Körper Wie wirkt der bewusst eingesetzte Nahrungsentzug? „Erstmal werden die Darmbakterien regeneriert und damit das Immunsystem gestärkt. Außerdem stimuliert Fasten die Zellreinigungssysteme. Die Autophagie, eine Art Frühjahrsputz für den Körper, setzt ein“, sagt Dr. Hatting. Bei diesem Prozess bauen die Körperzellen eigene unbrauchbare Bestandteile ab und verwerten sie wieder, um neue Bausteine zu binden oder um sie als Energiedepot zu nutzen – ähnlich der Energiegewinnung aus Fettreserven bei einem Kalorien­defizit. Entartete Zellen, Ablagerungen und bösartige Bakterien haben so wesentlich schlechtere Chancen sich anzuhäufen, da sie bereits im Anfangsstadium abgebaut werden.

Fastenforschung steht erst am Anfang

Obwohl schon immer gefastet wurde, steckt die Fastenforschung noch in den Kinderschuhen. „Bislang gibt es kaum wissenschaftliche Studien mit Menschen. Die, die nach anerkannten wissenschaftlichen Standards durchgeführt wurden, zeigen eine bessere Regeltreue der Teilnehmer und einen positiven Effekt auf die Körperzusammensetzung. Das bedeutet, dass den Teilnehmern das Durchhalten leichter gefallen ist und dass sie Körperfett abgenommen und gleichzeitig die wichtige Muskulatur behalten haben.“ Der Jojo-Effekt beim Fasten ist allerdings ein Mythos: „Natürlich nimmt man nach dem Fasten wieder etwas zu. Wer das Fasten aber als Neustart für eine ausgewogene, gesunde Ernährung nutzt, wird sein Ursprungsgewicht nicht wieder erreichen.“ Menschen, die regelmäßig fasten, können außerdem ihre Werte signifikant verbessern – das wirkt sich wiederum positiv auf andere Krankheiten aus. Die Psyche profitiert ebenfalls, denn beim Fasten schüttet der Körper jede Menge Botenstoffe aus, die die Stimmung stimulieren: Endorphine, Dopamin und Serotonin.

Kritische Stimmen

Bei der derzeitigen Fasteneuphorie gibt es auch kritische Stimmen, die vor den Gefahren des Fastens warnen. Ein Nachteil sei, dass der Körper neben den Fettdepots das Muskel­eiweiß angreife, was zu körperlichen Beschwerden führen könne. Außerdem, so die Kritiker, fördere der Nahrungsentzug die Entwicklungen von Essstörungen. Dr. Hatting gibt Entwarnung: „Bislang konnten keine negativen Auswirkungen belegt werden, im Gegenteil. Das Fasten öffnet völlig neue Wege in der Behandlung von Krankheiten und ist, vor allem in unserer Überflussgesellschaft, ein probates Mittel, um Erkrankungen vorzubeugen.“ Und das Schöne: Diese Form der Prävention oder Therapie ist komplett kostenlos.

 


Lust aufs Fasten bekommen? Nützliche Tipps und Hinweise

Tipp 1: Planen Sie den Zeitpunkt der Fastenkur und wählen Sie eine Fastenvariante aus. Vor allem die ersten beiden Fastentage sollten an einem Tag stattfinden, an dem Sie keine Verpflichtungen haben, zum Beispiel am Wochenende oder im Urlaub. Wichtig: Berücksichtigen Sie die Fastenvorbereitung und die Aufbautage nach dem Fasten ebenfalls in Ihrem Zeitplan.

Tipp 2: Führen Sie am ersten Fastentag und während der Fasten­tage ab. Der Darm arbeitet während des Fastens nicht wie sonst, deshalb werden noch vorhandene Speisereste nicht ausgeschieden. Bleiben Sie länger im Darm, können sie Verdauungsprobleme verursachen. Am häufigsten wird Glaubersalz zum Abführen empfohlen.

Tipp 3: Bewegen Sie sich während der Fastenzeit ausreichend. Sie werden staunen, wie viel Bewegungs- und Tatendrang in Ihnen steckt.

Tipp 4: Während des Fastens sind Mund- und Körpergeruch stärker ausgeprägt als sonst. Achten Sie deshalb noch mehr als sonst auf eine gute Körperpflege.

Tipp 5: Nutzen Sie die Fastenzeit, um zu überlegen, wie Sie die Ernährung danach gestalten möchten. Für ein „Weitermachen wie vorher“ wäre der Aufwand zu schade.

Tipp 6: Brechen Sie das Fasten mit einem Apfel. Er wird Ihnen noch nie so gut geschmeckt haben wie zu diesem Zeitpunkt.

Tipp 7: Gestalten Sie die Aufbautage ganz bewusst. Kauen Sie gründlich und bauen Sie Ihre Ernährung Schritt für Schritt auf. Den Anfang machen sehr leichte Speisen wie Reis, gekochte Kartoffeln und gedünstetes Gemüse. Nehmen Sie nur langsam neue Speisen dazu.

Wichtig:
Die Tipps gelten für gesunde Erwachsene. Sollten Sie unsicher sein, fragen Sie vorab Ihren Hausarzt. Zudem kann es hilfreich sein, sich einer Fastengruppe anzuschließen – der Austausch mit Gleichgesinnten kann über einen möglichen Fastenfrust hinweg­helfen.

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