Lebertransplantation: Die letzte Chance genutzt

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Das Leberversagen kam bei Liane Heiden plötzlich und unerwartet. Nach einigen Tagen, an denen sie sich müde und schlapp fühlte, bemerkte die damals 38-Jährige eines Morgens, dass sich ihre Augen gelb verfärbt hatten. Sie ging zum Arzt und fand sich wenige Stunden später auf der Intensivstation der Uniklinik RWTH Aachen wieder. Das Leber­versagen machte sie schnell schwächer, der Körper vergiftete sich regelrecht selbst. Drei Tage später wurde sie auf die Organtransplantationsliste gesetzt, einen Tag darauf bereits operiert. „Den genauen Grund für das Leberversagen haben wir nie gefunden“, erinnert sich Prof. Neumann. „Aber es war höchste Zeit, lange hätte es Frau Heiden nicht mehr ohne Spenderleber geschafft.“

Zu wenig Spenderorgane

Schon damals gehörte Prof. Neumann zu den absoluten Leberspezialisten im Land und hatte bereits über 200 Lebern transplaniert. An der Uniklinik RWTH Aachen war der Eingriff bei Liane Heiden für ihn die erste Transplantation als frisch gebackener Klinikdirektor. Heute, ein gutes Jahrzehnt später, sind über 460 Lebern hinzugekommen, die Prof. Neumann und sein Team an der Uniklinik transplantiert haben. Die Klinik hat sich zum führenden Leberzentrum der Region entwickelt. Nur mit einem großen Problem haben Patientinnen und Patienten sowie das ärztliche Team noch immer zu kämpfen: Es fehlt an Spenderorganen. Leider lassen sich zu wenige Menschen zu Lebzeiten als Organspender registrieren. Dabei ist die Lebertransplantation die letzte Überlebenschance für viele, vor allem chronisch kranke Menschen. Und so verstirbt in Deutschland noch so mancher Patient auf der Warteliste der Vermittlungsstelle. „Da muss sich unbedingt etwas tun“, sagt Prof. Neumann. „Gäbe es mehr Spender, könnten wir viel mehr Menschen helfen.“

„Ich konnte mir überhaupt nicht vorstellen, irgendwann wieder Normalität zu erleben.“

Glück im Unglück

Liane Heiden hatte also Glück im Unglück, dass für sie als Akutpatientin gleich ein passendes Organ gefunden wurde. Nach der Transplantation musste sie sofort mit der lebenslangen, immunsuppressiven Therapie beginnen, damit ihr Körper die fremde Leber nicht wieder abstößt. In den ersten Monaten war sie zudem sehr vorsichtig, schützte sich besonders vor Keimen. Heute führt sie ein ganz normales Leben, arbeitet und genießt ihre Freizeit. „Es geht mir sehr gut. Ich bin fit wie nie, und dass ich eine neue Leber habe, ist im Alltag kein Thema“, sagt die 50-Jährige. Nur bei Alkohol hält sie sich komplett zurück. „Ich dürfte sicher hin und wieder mal ein Glas Wein trinken“, erklärt sie. „Aber irgendwie fühle ich mich dem Organ gegenüber verpflichtet und lasse lieber die Finger davon.“

In den ersten Jahren nach der Transplantation besuchte Liane Heiden eine Selbsthilfegruppe für Lebertransplantierte. „Ich hatte natürlich viele Fragen und wollte mich mit anderen Betroffenen austauschen, denn ich konnte mir überhaupt nicht vorstellen, irgendwann wieder Normalität zu erleben“, erzählt sie. Zu einigen dieser Weggefährten hat sie bis heute regelmäßigen Kontakt – und die Normalität ist längst zurück. Nur die Nachsorgetermine in der Uniklinik und bei ihrer Ärztin muss sie heute noch regelmäßig wahrnehmen.

Die Normalität ist längst zurück: Über zehn Jahre nach ihrer Lebertransplantation genießt Liane Heiden ihr zweites Leben. (Foto: privat)

Chronisch Kranke betroffen

Liane Heiden ist mit ihrem akuten, scheinbar grundlosen Verlust der Leber eine Ausnahme: Denn sie lebte gesund, rauchte nicht, trieb Sport, trank nur wenig Alkohol – und verlor trotzdem ihr Organ. Die weitaus größte Gruppe derer, die eine neue Leber benötigt, ist die der chronisch Kranken. Dazu zählen Patienten mit Hepatitis-Erkrankungen, Menschen mit autoimmunen Erkrankungen, Tumorpatienten, Alkoholkranke und Patienten mit einer Fettleber. Ihnen allen ist gemein, dass das Organ langsam zugrunde geht, dass Zellen absterben und eine Leberzirrhose auftritt. Die Leber stellt ihre Funktion ein, kann den Körper nicht mehr entgiften, bildet nicht mehr die so wichtigen Gerinnungsfaktoren. Nur eine Transplantation kann in dieser Phase noch helfen.

Gute Heilungschancen

Die Operation ist vor allem wegen der eingeschränkten Leberfunktion und der dadurch bedingten Umgehungskreisläufe der Gefäße sowie der eingeschränkten Gerinnungsfunktion kompliziert und dauert zwischen drei und sechs Stunden. „Trotzdem ist die Lebertransplantation ein Routineverfahren mit exzellenten Überlebensraten – insbesondere, wenn im Verlauf um die OP keine Komplikationen auftreten“, sagt Prof. Neumann. „So wie bei Frau Heiden.“

Aber auch auf andere Transplantierte wartet meist ein normales, gesundes Leben. Selbst für Patienten mit alkoholbedingter Zirrhose ist die Prognose günstig, weil bei ihnen – anders als bei anderen chronisch Kranken – die Krankheitsursache nach der Transplantation völlig wegfällt. Schließlich müssen sie vor der OP ein halbes bis ein Jahr „trocken“ sein und führen danach meist ein vorbildliches Leben.

Neben der Organentnahme bei Verstorbenen gibt es auch für die Leber die Möglichkeit der Lebendspende. Dafür muss das Organ allerdings perfekt passen und von einer nahen blutsverwandten Person stammen. Sie spendet die Hälfte ihrer Leber. Nach sieben bis acht Monaten sind beide Hälften zu kompletten Organen nachgewachsen. „Das kann nur die Leber“, ist Prof. Neumann auch nach 27 Jahren Berufserfahrung noch begeistert. „Ein unglaubliches Organ!“


Organspende rettet Leben

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Voraussetzung für eine Organspende sind der irreversible Hirnfunktionsausfall, also der sogenannte Hirntod eines Menschen, sowie eine Einwilligung zur Organentnahme.

Der irreversible Hirnfunktionsausfall und damit der Tod kann bei Menschen nach einer sehr schweren Hirnschädigung eintreten, zum Beispiel infolge einer Hirnblutung, eines Schlaganfalls, eines Schädel­hirntraumas oder schwerstem Sauerstoffmangels durch Herzstillstand und verzögerter Reanimation. Diag­nostik und Feststellung des irreversiblen Hirn­funktionsausfalls müssen strikt nach den Richtlinien der Bundesärztekammer erfolgen.

Eine Einwilligung zur Organspende durch den Verstorbenen kann in Form von zu Lebzeiten abgefassten Dokumenten wie Organspendeausweis oder Vermerk in der Patientenverfügung vorliegen. Wenn keine schriftliche Verfügung vorliegt, sollen nach deutschem Recht die nächsten Angehörigen nach dem bekannten oder mutmaßlichen Willen des Verstorbenen befragt werden. Für die Angehörigen, die gerade einen geliebten Menschen verloren haben, stellt die Frage zur Organentnahme meist eine Zumutung und Überforderung dar, wenn sie dessen Willen nicht kennen. Eine schriftliche Erklärung des Verstorbenen, die dieser zu Lebzeiten auch mit ihnen besprochen hat, kann die Angehörigen in dieser schwierigen Situation deutlich entlasten.

Wie der Organspendeausweis funktioniert und was man beim Ausfüllen beachten sollte, lesen Sie hier.

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